Marokko
Ende April habe ich einen länger gehegten Wunsch in die Tat umgesetzt: Ich wollte die Wüste sehen, genauer gesagt die Sandwüste mit ihren lang gezogenen Dünen, den rauschenden Staubwogen und der menschenleeren Weite …
Die nächsten größeren und von Europa leicht erreichbaren Ergs (arabisch für das „Dünenmeer“) liegen in Marokko. Da mich das Land selbst auch interessiert hat, habe ich statt einer reinen Wüstentour eine individuelle Rundreise gebucht. Von Marrakech ging es an den Atlantik nach Essaouira, zurück Richtung Gebirge ins Ourikatal, von dort über den Hohen Atlas, durch Wadis mit Berberdörfern, über den Antiatlas nach Zagora und weiter in den Erg Chegaga bei M’Hamid. Der Rückflug erfolgte von Marrekech nach Wien.
Vorab: Falls jemand einen hervorragenden Guide für die Städte oder die Wüste Marokkos sucht (der bei Bedarf auch eine ganze Tour zusammenstellt) kann ich gern behilflich sein. Die private Buchung ist günstiger, als wenn man sich eine Rundreise von einem Veranstalter in Österreich oder Deutschland zusammenstellen lässt.
Marrakech – eine bunte Stadt; eine laute Stadt; eine Stadt, wo immer etwas los ist – und wo die Gerüche mitunter jeden Rahmen sprengen. Wenn man Zeit in Marrakech verbringt, sollte man auf alle Fälle durch die Medina (= Innenstadt) und den Souk (= größter Markt) spazieren. Hüten muss man sich vor den zahlreichen Mopeds, die durch die engen Gassen brausen – und Vorsicht ist auch bei manchen Verkäufern angebracht, die ihre Waren oder Dienstleistungen mit sehr eigenwilligen Methoden an den Mann (oder die Frau) bringen wollen. Zu empfehlen ist jedenfalls die Nächtigung in einem traditionellen Riad; der beruhigte Innenhof lässt so richtig durchatmen.
Zu der traditionellen Küche kann man nur so viel sagen: einfach köstlich! Die Zubereitung in Tajinen (gebrannten Tontöpfen) schmeckt hervorragend, auch das Couscous mit allerlei Gewürzen ist vorzüglich. Obst kann man mit etwas Vorsicht ohne Bedenken genießen – im Gegensatz zu anderen arabischen Ländern, hatte ich in Marokko kein einziges Mal Probleme mit Magen oder Darm. Vielleicht lag das aber auch an dem Nationalgetränk Marokkos: eine bittersüße Mischung aus Grün- und Pfefferminztee. An Sehenswürdigkeiten ist in Marrakech zum Beispiel der Bahia-Palast zu empfehlen, der unter anderem aufwendig bemalte und sehr detaillierte Holzarbeiten bietet.
Wenn man von Marrakech Richtung Atlantikküste fährt, durchquert man fast unweigerlich einen mehrere Kilometer breiten Hain aus eher unspektakulären, halbrund geformten Laubbäumen. Dabei handelt es sich um Arganbäume, die jene begehrten mandelartigen Früchte produzieren, aus denen Arganöl produziert wird. Das Öl findet als Speiseöl und für Kosmetikartikel Verwendung und ist vergleichsweise teuer – daher lohnt sich ein Preisvergleich in Marrakech bzw. Essaouira (Achtung auf die diversen Gütesiegel). Lustig sind die sogenannten Ziegenbäume – ja, richtig gelesen. Die Ziegen der Berber fressen mit Vorliebe die hartschaligen Früchte der Arganbäume und klettern dabei schon mal hoch in die Baumkronen. Den Argansamen schadet das übrigens nicht, die keimen problemlos nach dem Verlassen des tierischen Hinterausgangs.
Essaouira liegt nördlich der Touristenmetropole Agadir an der Atlantikküste und hat seinen natürlichen Charme bewahren können. Die ideale Reisezeit ist allerdings nicht im späten Frühling oder Herbst, da es – wie bei meinem Besuch – sehr windig sein kann. Besser, man/frau sieht im Winter hier vorbei. Neben dem Tourismus wird die Stadt vom Handel mit Arganöl und Fischen beherrscht; zumindest gefühlsmäßig ist die Hälfe der Stadteinwohner direkt oder indirekt mit Fischfang beschäftigt.
Von Essaouira ging es wieder zurück Richtung Marrakech und weiter an den Fuß des Hohen Atlas – genauer gesagt in das Ourikatal. Die Landschaft ist sanft hügelig, ein Fluss sprudelt das ganze Jahr über durch das Tal und es ist so grün wie in Mitteleuropa – ein immenser Gegensatz zur kahlen Ödnis auf der anderen Seite des Hohen Atlas.
Hier im Ourikatal lernte ich Youssef kennen. Youssef ist Pionier. Revolutionär. Und unverbesserlicher Optimist. Nach zwanzig Jahren in Deutschland ist er in das Ourikatal zurückgekehrt und hat dort auf vier Hektar Fläche eine biologische Permakultur aufgebaut. Unter Pfirsich- und Zitronenbäumen wächst Getreide, Möhren gedeihen neben Erbsen und Granatapfel-Sträuchern. In einem Freigehege leben Kühe, Schafe und Kaninchen, daneben gibt es eine Regenwurmfarm, die den ersten Biomist Marokkos (oder zumindest des Ourikatals) produziert. Am Abend durfte ich auch gleich die verschiedenen selbst geernteten/hergestellten Produkte verköstigen – ich glaube, so viel habe ich noch nie auf einen Sitz verschlungen. (Und nein, der Gecko wird nicht gegessen, aber er war ein tüchtiger Moskitojäger in der Nacht ^^).
Am nächsten Tag ging es an die Überquerung des Hohen Atlas – ein Gebirge, dessen höchste Ausläufer mehr als 4000m über den Meeresspiegel aufragen. Da hier auch immer wieder Niederschlag fällt, sind die Berggipfel im Winter und Frühjahr schneebedeckt. Die Passstraße wird momentan erneuert, was auch dringend notwendig ist, wenn man den schmalen, kurvenreichen Pfad und die zahlreichen Schlaglöcher bedenkt. Der Hohe Atlas wirkt für die feuchten Luftmassen des Atlantiks wie eine Barriere; nur selten gelingt es den Wolken, die Berge zu überwinden. Hinter dem Gebirgszug beginnt de facto die Wüste – und auch die Straßen- und Verkehrsregeln werden nicht mehr allzu ernst genommen. Warum zweimal fahren, wenn alles Heu auf einen Laster passt?
Je weiter man sich vom Gebirge entfernt, desto trockener wird es. Ausreichend Feuchtigkeit für eine dauerhafte Besiedlung gibt es nur in den Wadis. Während im Winter und zeitigen Frühjahr Wasser von den Bergen Richtung Osten fließt, ist das restliche Jahr kein Fluss mehr vorhanden. In der Tiefe wird aber weiter Wasser transportiert, das Tal bleibt damit grün. In den Wadis befinden sich zahlreiche Berbersiedlungen, deren Bauten aus Lehm errichtet sind. Die größten Täler sind sogar mit Palmen bewachsen. Immer wieder trifft man auf Kasbahs, das sind ehemalige, aber jetzt verlassene Festungsanlagen.
Inzwischen lässt sich nicht mehr leugnen, dass die Gegend immer unwirtlicher wird. Der letzte größere Ort ist Zagora – hier lässt sich unter anderem eine traditionelle Töpferei besuchen. Auch einige (teils luxuriöse) Hotels und Riads wurden im Zuge der zunehmenden Bedeutung des Tourismus errichtet. Fährt man von Zagora weiter Richtung Südosten, nimmt die Besiedlung weiter ab, auch die Oasen sind meist verlassen. Ab M’Hamid – das weniger ein Dorf, als eine Ansammlung weiterer Hotels ist – gibt es keine befestigten Straßen mehr. Die Schotterwege führen querfeldein; und wie man sieht, haben die holprigen Pfade nicht allen Fahrzeugen gut getan.
Nach weiteren zwei Stunden Fahrt durch die Einöde kommen sie endlich in Sicht – die Sanddünen der Erg Chegaga! Am Fuß des Dünenmeers gibt es von verschiedenen Anbietern mehr oder weniger luxuriöse Zeltlagerplätze, die mit Matratzen oder sogar Betten ausgestattet sind. Warum keine Übernachtung unter dem Sternenhimmel? Die Wüste, zumindest diese hier, ist oft windig – wie ich wenig später am eigenen Leib erfahren durfte. Wenn der Sand erst einmal waagrecht daherkommt, kann der Aufenthalt im Freien unangenehm werden; die feinen Körnchen findet man dann in den Ohren, in der Nase und zwischen den Zähen.
Sobald ich im Lager angekommen war, musste ich sofort auf die höchste Düne der Umgebung steigen; was durch den abgleitenden Sand recht kraftraubend ist. Aber es lohnt sich. Der Anblick und das Gefühl sind atemberaubend. Berauschend. Unvergleichlich! Am nächsten Morgen bin ich barfuß eine Stunde durch das Dünenmeer gelaufen – auch das ein unvergessliches Erlebnis. Allerdings sollte man sich als Europäer auf die eine oder andere Blase an den Zehen gefasst machen. Aber genug der Litanei, jetzt möchte ich die Bilder sprechen lassen.
Das letzte Bild zeigt einen Dustdevil, einen Staubteufel, wie es ihn auch bei uns an heißen Sommertagen gibt – allerdings selten so schön ausgeprägt wie dieses Exemplar. Da ich auf meiner Reise jede Menge Dustdevils beobachten und filmen konnte, habe ich einen kurzen Videoclip zusammengestellt, der entweder über diesen Link oder direkt hier angesehen werden kann:
Oft wird davon geschwärmt, wie klar und sternenreich die Nächte in der Wüste sind; nun, das kann ich bestätigen. Wenn der Himmel nicht gerade von Staubwolken verdunkelt wird, sieht man unzählige Lichter in der Finsternis. Zusammen mit den durch Lagerfeuer erhellten Dünenkämmen ein magischer Anblick, der zum Tanzen und Träumen einlädt.
Am übernächsten Tag ging es in einer achtstündigen Marathonfahrt über den Hohen Atlas zurück nach Marrakech. Eine letzte Nacht in der lebhaften Metropole, dann stand auch schon der Rückflug nach Wien am Programm.
Mein Fazit für Marokko im Allgemeinen sowie der Sandwüste im Speziellen: fantastisch! Und: Ich komme wieder …